[Heidburg Behling]
Am 26.2.2025 fand im Café Chrysander in Bergedorf eine Veranstaltung statt unter dem Titel „Menschen zwischen Ideologien – Die Psychologin Bluma Zeigarnik“. Zu dem Abend hatten die Deutsch-russische Gesellschaft e. V. (DRG) und der Freundeskreis gemeinsam eingeladen. Referent war unser Vorstandsmitglied Dr. Uwe Friese. Uwe lehrt als Psychologe und Kognitionswissenschaftler an einer Hamburger Universität und er ist Mitglied der DRG.

Foto: F. Bachteler
Der Abend war sehr gut besucht und außer dem Referenten wusste wohl niemand der Teilnehmer*innen, wer die Psychologin Bluma Zeigarnik überhaupt ist. Im Laufe des Abends lernten wir den sogenannten Zeigarnik-Effekt kennen, der heute noch zu den klassischen Befunden der Gedächtnispsychologie gehört. Demnach werden Erinnerungen an unterbrochene und unerledigte Aufgaben besser erinnert als Erinnerungen an abgeschlossene und erledigte Aufgaben. Dazu hatte sie umfangreiche Forschung betrieben, die zuerst 1927 in Berlin veröffentlicht wurde.
Bluma Zeigarnik wurde 1901 als Bluma Gershstein in Prienai in Litauen geboren. Ihre Eltern waren jüdische Geschäftsleute. Bluma wollte studieren, wurde aber als Frau an der Universität in Kaunas in Litauen nicht zugelassen. Sie heiratete und ging mit ihrem Mann Albert Zeigarnik 1922 zum Studium nach Berlin. Dort studierte sie zunächst Germanistik und wechselte dann zur Psychologie. Ab 1927 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin von Kurt Lewin – Pionier der Sozialpsychologie und der Berliner Schule der Gestaltspsychologie. Seine Feldtheorie beeinflusste Bluma Zeigarnik in ihren Forschungen. Danach ist jede Handlung mit einer gewissen Spannung auf ein Ziel gerichtet. Die Spannung nimmt dann ab, wenn das Ziel erreicht ist.
Da ihr Mann 1931 als Handelsvertreter nach Moskau geht, folgt Bluma Zeigarnik ihm und wird wissenschaftliche Assistentin bei Lev Vygotzky – dem Begründer der unter der Bezeichnungen Kulturhistorische Schule bekannt gewordenen Strömungen der sowjetischen Psychologie. Seine Schriften werden 1936 in der UdSSR verboten. 1935 macht Bluma Zeigarnik ihren Abschluss in Biologie, da ihr deutsches Diplom nicht anerkannt wurde. 1940 wird ihr Mann wegen Spionage verhaftet und ermordet. (1956 wird er rehabilitiert). Diese Erfahrungen prägten ihr weiteres Leben. Sie lebte in ständiger Angst vor stalinistischer Repression, besonders in Angst um ihre Kinder. Jede Verbindung zum Westen und zur westlichen Wissenschaft war ein Tabu. Offiziell galt für sie die marxistische Weltsicht, auch in der Wissenschaft. 1950 wurde sie Opfer antisemitischer Kampagnen, die bis 1953 andauerten. Sie wurde als Abteilungsleiterin abgesetzt und war auf die finanzielle Hilfe von Freunden angewiesen. Erst 1957 wurde sie rehabilitiert und konnte ihre wissenschaftliche Karriere fortsetzen. 1965 erhielt sie eine Professur für Psychologie und 1967 die Fakultätsleitung an der Universität in Moskau. Auch international fand sie schließlich Anerkennung und erhielt 1983 den Lewin-Gedächtnispreis in den USA. 1988 verstarb sie in Moskau.
Es war ein interessanter Abend, der hier nur kurz zusammengefasst werden konnte. Ich habe mich bei dem Bericht im Wesentlichen auf die Biografie von Bluma Zeigarnik beschränkt. Der Vortrag endete mit einer kurzen Betrachtung vom Einfluss von Ideologie auf die Wissenschaft und Psychologie heute. Anschließend gab es eine lebhafte Diskussion.
Erwähnenswert ist noch, dass bei der Veranstaltung eine Spende für Kontakte/Kontakty von 300€ für das Hilfsnetzwerk für ehemals Verfolgte des Naziregimes in der Ukraine zusammen gekommen ist.


