Rückschau Büchertisch

[Heidburg Behling]

In der Zeit vom 22. Januar bis zum 20. Februar 2025 wurde in der Eingangshalle im Hamburger Rathaus die Ausstellung „Ausgeraubt vor der Deportation. NS-Verfolgte im Fokus der Hamburger Finanzverwaltung“gezeigt. Mitglieder des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und engagierte Mitstreiter*innen haben während dieser Zeit den Büchertisch betreut, zahlreiche Gespräche geführt und gut zugehört. Viele Besucher*innen hatten das Bedürfnis, sich zu der Ausstellung zu äußern. Auffallend war das Interesse von Mitarbeitern der Finanzbehörde, das Thema der Ausstellung sei sehr wichtig. Allgemein war zu beobachten, dass die Ausstellung auf sehr großes Interesse stieß.

Angeregt durch die Beispiele der Ausplünderung vor allem der jüdischen Bürger wurden von vielen Besuchern und Besucherinnen der Ausstellung auch familiäre Bezüge hergestellt.

Da hatte die Mutter 1939 die ‚Ausreise‘ ihres Zahnarztes unterstützt und ein Mann berichtet von seinem Vater, der in der Nazizeit in der Devisenabteilung der Commerzbank in Litzmannstadt (Lodz) tätig war und voll und ganz die Aussagen der Ausstellung über die administrative Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung bestätigt.

Eine Besucherin erzählt von ihrer Mutter (Jahrgang 1927), sie hätte nach der Ausbombung ‚Judenwäsche‘ gekauft und rechtfertigt sich: „Die sind doch alle ausgewandert.“

Ein weiterer Besucher erinnert sich an die Zeit seiner Arbeit im Freihafen, wo Ein-und Ausfuhrscheine aus der Nazizeit noch im Oktober 1945 mit den gleichen Stempeln benutzt wurden. Sie hätten dann versucht, das Hakenkreuz herauszuschneiden. (Beispiel im Zollmuseum) Der Vater war Zollbeamter, der sich weigerte, Juden auszurauben. Daraufhin sei er nach Ternopil ( damalige SU) versetzt worden , wo er entweder von den eigenen Leuten erschossen wurde oder Suizid beging, weil er sich nicht an Erschießungen beteiligen wollte.

Ein Herr, ehemaliger Seefahrer, erzählt von der Firma seines Vaters, der regelmäßig ins KZ Neuengamme fuhr, um von dort Ton abzuholen für Blumentöpfe u.a. Sein Entsetzen über das, was er dort sah, wollte niemand glauben. Aus seiner eigenen Zeit als Seemann erinnert er sich, dass auf dem Schiff von Hapag Lloyd untereinander ausgelost wurde, wer an Land zum Ausplündern der Villa eines deportierten Juden durfte.

Mehrere Besucher*innen erwähnen das Angebot von Michael Kühne, der Stadt Hamburg ein Opernhaus zu stiften und fragen nach, was man tun könne, um die Rolle des Unternehmens Kühne u. Nagel im Zusammenhang mit der Ausraubung der Deportierten in der Zeit von 1933-1945 bekannt zu machen. Beruht das Vermögen des heutigen Milliardärs nicht auch auf dem Profit aus jener Zeit ?

Viele Besucher*innen der Ausstellung kommen zum Büchertisch und äußern sich besorgt über die aktuelle Situation in Deutschland, den Rechtsruck, über die wachsende Zustimmung zur Politik der AfD, insbesondere über die Taktik der CDU-Führungsspitze. Es ist eine große Beunruhigung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft zu spüren. Ein ca 70-jähriger Besucher schildert, sein 40-jähriger Ziehsohn sei in die AFD eingetreten, er sei Gartenbauer, sei Mitglied der dazugehörigen Gewerkschaft und sei auch dort politisch aktiv.

Es gäbe noch viel mehr zu berichten, aber auch so wird deutlich, wie wichtig das Gesprächsangebot und die Gespräche am Büchertisch sind.

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