[Barbara Hartje]
Mord an Kindern – das ist eine unerträgliche Vorstellung. Und noch viel mehr, wenn ihn Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegepersonal begehen. So geschah es zwischen 1940 und 1945 in der ‘Kinderfachabteilung’ des ehemaligen Kinderkrankenhauses Rothenburgsort im Rahmen des vom NS-Staat verordneten ‘Reichsausschussverfahren zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden’. Im Rahmen dieses Euthanasieprogramms wurden Kinder mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung gezielt durch eine Überdosis Luminal getötet oder kamen bei Untersuchungen oder Infektionskrankheiten ums Leben. Niemand ist jemals für diese Verbrechen verurteilt worden. Licht in dieses Dunkel sollte ein Gedenkort bringen.
Wie bei fast allen zivilgesellschaftlichen Initiativen im Bereich der Erinnerungsarbeit mussten auch wir, eine kleine Stadtteilinitiative, viel Geduld, Überzeugungsarbeit und Beharrlichkeit aufbringen. Zu guter Letzt erreichten wir unser Ziel mit Unterstützung von Bezirksamt und Bezirksversammlung Mitte sowie dem Institut für Hygiene und Umwelt, dem heutigen Nutzer des Hauses. Nach vielen Jahren des Engagements für eine würdige Erinnerung an diese Kinder konnten wir am 24. September 2024 einen kleinen Gedenkort mit 126 Namen von Opfern am Ort dieses grausamen Verbrechens einweihen.
Mit ihm wird zugleich der Schleier von dem Verdrängten, Verschwiegenen und Verborgenen weggezogen, denn nicht minder schockierend als die Morde an den Kindern war der gesellschaftliche Umgang mit diesen Verbrechen bis in die 2000er Jahre. Weder die Hamburger Gesundheitsbehörde noch die Ärztekammer übernahmen Verantwortung für die maßgebliche Beteiligung ihrer Institution bzw. ihrer Mitglieder an den Kinderfachabteilungen.
Stellvertretend für Senatorin Schlotzhauer, Bürgerschaftspräsidentin Veit, Dr. Michael Wunder und Bezirksamtsleiter Neuebauer, die sich in ihren Redebeiträgen in diesem Sinne äußerten, sei hier der Ärztekammerpräsident Dr. Emami zitiert: „Es ist schmerzlich und – in Vertretung des Berufsstandes in Hamburg – beschämend, diese geschichtlichen Tatsachen anzuerkennen. Aber diese Wahrheit anzunehmen, Schuld zu bekennen und sich dieser Verantwortung zu stellen, ist für die Ärztekammer – und auch für mich persönlich – heute wichtiger denn je.“ Diese Worte und die erstaunliche Resonanz auf unsere Einladung zur Einweihungsfeier mit nahezu 200 Teilnehmenden ermutigen uns, das Gedenken an die Kinder weiter wach zu halten, im Stadtteil Rothenburgsort und darüber hinaus. Die Schüler*innen der Stadtteilschule Bergedorf werden uns – wie schon im Jahr 2019, als sie einen ‚vorläufigen Gedenkort‘ errichteten und jetzt bei der Feier die Namen der getöteten Kinder verlasen – weiter unterstützen.
Ein ausführlicher Artikel findet sich in der November Ausgabe des Hamburger Ärzteblattes
https://www.aerztekammer-hamburg.org/hamburger_aerzteblatt.html
