[Maria Beimel]
Mit großem Engagement und Wissen berichten die Mitarbeiterinnen Natalia Wollny und Hedwig Thelen über die Arbeit der „Euthanasie“-Gedenkstätte auf dem Gebiet der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt, der heutigen Psychatrischen Klinik Lüneburg. Ursprünglich sollte die Heil-und Pflegeanstalt ein Ort der Ruhe und Erholung nach dem Konzept der Reformpsychatrie (Ende des 19. Jahrhunderts) sein, als sie 1901 im Pavillon-System gegründet wurde. Werkstätten, „Anstaltsgärten“ und das Badehaus dienten der Therapie, aber auch der Selbstversorgung der Einrichtung, abgeschottet am Rande der Stadt Lüneburg.
Die Nationalsozialisten setzten nach ihrer Machtergreifung1933 eine Tötungsmaschinerie gegen geistig und körperlich behinderte Menschen in Gang. Mit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ab dem 1.Januar 1934 wurden Frauen und Männer der ehemaligen Heil-und Pflegeanstalt auf vermeintliche „Erbkrankheiten“ begutachtet und oftmals gegen ihren Willen zwangssterilisiert. Viele überlebten die Sterilisation nicht. Ärztlicher Direktor war bis 1936 Dr. Heinrich Behr, ab Januar 1936 Dr. Max Bräuner, der auch als Richter am Erbgesundheitsgericht Lüneburg über Zwangssterilisationen entschied. Als überzeugter Nationalsozialist unterstützte er das Euthanasieprogramm, das im Oktober 1939 auf Anordnung von Adolf Hitler erlassen wurde, und im Rahmen der T4 Aktion tausenden Menschen den Tod brachte. Auch aus Lüneburg wurden hunderte Menschen zu den Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hadamar überstellt und ermordet. In der 1941 auf Betreiben von Bräuner eingerichteten „Kinderfachabteilung“ der Heil-und Pflegeanstalt wurden unter seiner Direktion im Rahmen des Euthanasieprogramms 300 bis 350 Kinder mit Medikamenten, durch Verhungern oder durch medizinische Tests ermordet. Lüneburg wies damit eine sehr hohe Zahl an Tötungen auf.
Außergewöhnlich ist die Aufarbeitung der „Euthanasie“- Geschichte der ehemaligen Heil-und Pflegeanstalt unter der Leitung von Dr. Carola Rudnik. Die Initiative dazu kam von Mitarbeitern aus der Psychatrischen Klinik selbst, 2004 gründeten sie den Verein „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg e.V.. Heute gehören zur Gedenkstätte ein Bildungszentrum (ehemaliges Gärtnerhaus) und ein Dokumentationszentrum mit neuer Dauerausstellung (Eröffnung Ende August 2025) im ehmaligen Badehaus am Wasserturm (Haus 34). Die Neugestaltung wird von einer Fachkommission begleitet. Ein besonderes Merkmal bei der Aufarbeitung ist die Einbindung von Angehörigen der getöteten Kinder.
Beeindruckt von diesem Tag, bei manchen auch schmerzhaft in eigener Familiengeschichte, mahnte der Besuch erneut zur Wachsamkeit. Es darf nie wieder geschehen!
