Der Freundeskreis in Podlachien

[Text: Barbara Brix]

Am meisten hat mich, glaube ich, auf unserer intensiven und an multikulturellen Erfahrungen reichen Reise nach Podlachien der Gedenkort Jedwabne in seiner Zwiespältigkeit bewegt.

Im Vordergrund die 2001 durch die Republik Polen eingeweihte Gedenkstätte für die Opfer des Massakers von Jedwabne, hinten links ist der kürzlich errichtete Ort nationalistischen Protestes mit der polnischen Fahne zu sehen. Foto: Detlef Garbe.

16 Mitglieder des Freundeskreises waren Ende September – organisiert und geführt von der nach Osteuropa orientierten Reiseagentur „Ex Oriente Lux“ – über Warschau in die nordöstliche Woiwodschaft an der Grenze zu Litauen und Belarus gereist, eine weltabgeschiedene, landschaftlich überaus reizvolle Gegend, in der unterschiedliche sprachliche, religiöse und ethnische Minderheiten leben. Unsere Absicht war, der „Exotik des Ostens“ und dem „Märchen der einvernehmlichen Interkulturalität an der Grenze“ nachzuspüren, von denen im Katalog – durchaus kritisch – die Rede war. So begegneten wir Litauern, Tartaren, Belarussen, Orthodoxen und natürlich Polen und genossen ihre heimische Küche; nur mit der früher oft mehrheitlich dort lebenden jüdischen Bevölkerung war kein Kontakt mehr möglich: im Zweiten Weltkrieg, nach der Einnahme der Gebiete durch die Wehrmacht 1941, wurde sie fast vollständig ausgelöscht; es blieben nur riesige, verwahrloste Friedhöfe, um die sich kaum jemand mehr kümmern konnte, wenn nicht Einzelne, Individuen aus der Zivilgesellschaft wie Cecylia, die das Schicksal der Juden von Krinki erzählt, oder Tomasz, der „The Place – Das Museum der Juden von Bialystok“ gegründet hat.

Aber Jedwabne, ein ehemaliges Schtetl, setzte all‘ diesen geschichtsträchtigen Orten eine schockierende Spitze auf: neben dem Monument plus Infotafel, die an den Pogrom polnischer Bürger an ihren jüdischen Nachbarn nach dem deutschen Einmarsch erinnern, entstand im letzten Jahr eine Art Gegenmahnmal national-konservativer Kräfte. Mit landesweit eingesammelten Geldern kaufte ein rechtsextremer Journalist das Nachbargrundstück und ließ dort auf mehreren großen Schildern gegenläufige Texte aufstellen. Sie relativieren die Botschaft des Gedenkorts nebenan und suggerieren eine angebliche Mitschuld der jüdischen Bewohner an den Pogromen.

Neben der Erkundung der historischen Schichten der Region und ihrer Gedenkorte hatten wir immer wieder die Möglichkeit, uns von Experten die nicht minder widersprüchliche Gegenwart Polens erklären zu lassen – soweit das möglich ist.

So spiegelt dieser Ort die Polarisierung der gesamten polnischen Gesellschaft und die immer dreisteren Methoden der rechten Propaganda.

Der mit einer Spendenkampagne des Publizisten Wojciech Sumliński 2025 angelegte „alternative Gedenkort“. Die Findlinge sind mit geschichtsverfälschenden Texten versehen. Foto: Detlef Garbe.

Gedenkort am Rande der Ortschaft Jedwabne für die am 10.07.1941 (kurz nach Beginn der deutschen Besatzung) von polnischen Mitbürgern ermordeten Juden und Jüdinnen des Ortes. Foto Barbara Hartje.

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